Erasmus in Bordeaux
Bericht vom Studium in Bordeaux


Die Monate in Bordeaux waren in mehrfacher Hinsicht intensiv und erlebnisreich. Deswegen kann ich im Folgenden nur einen fragmentarischen und beispielhaften Überblick geben.

Beginnen möchte ich mit meinen akademischen Erfahrungen in der Université Bordeaux IV Montesquieu. Umstellen musste ich mich vor allem wegen des vollkommen anderen Vorlesungsstils. Mit Ausnahme einer Vorlesung wurden diese im wahrsten Sinne des Wortes als „Vorlesung“ abgehalten. Die Professoren lasen von einem geistigen Skript ab und diktierten den Studenten wörtlich die Sätze in ihre Hefte. Dies war für mich zwar ein hervorragendes Verständnis-, Schreib- und Vokabeltraining, lässt aber dennoch Raum für didaktische und methodische Verbesserungen.

Das Studium ist für die französischen Studenten verschult aufgebaut. Der ganze Jahrgang belegt mit Ausnahme von wenigen Wahlveranstaltungen zusammen dieselben Kurse, nach dem dritten Jahr wird dies durch ein Wahlschwerpunktsystem aufgefächert.
Eine weitere Überraschung für mich war, dass die meisten Länder in Europa ein ausgefeilteres Schutzsystem der Grundrechte haben als das ‚Mutterland’ der Menschenrechte Frankreich. In der Vorlesung „Droit et liberté fondamentaux“ (Grundrechte) musste ich feststellen, dass die wesentlichen dogmatischen Grundpfeiler der französischen Grundrechte vor allem aus Deutschland, aber auch aus Spanien und den Vereinigten Staaten stammen und das gesamte System weniger entwickelt ist als in diesen Ländern. Das hängt vor allem damit zusammen, dass eine Individualverfassungsbeschwerde nicht möglich ist und daher die Anzahl der Verfassungsklagen wesentlich geringer als bspw. in Deutschland ist. Die Vorlesung war dennoch sehr interessant, da sie stark rechtsvergleichend aufgezogen war und so einen Überblick und Vergleich der westlichen Verfassungsysteme gab.

Neben den Droits et libertés fondamentaux belegte ich in diesem Semester folgende Kurse:

  • Droit pénal des affaires (Wirtschaftsstrafrecht)
  • Travaux dirigés droit et libertés fondamentaux (Arbeitsgruppe zur Vertiefung der Grundrechte-Vorlesung)
  • Contentieux Communautaires (Europäisches Verfahrensrecht)
  • Einführung und Vertiefung rechtsspezifischer Sprache

Eine Erfahrung der anderen Art war die Begegnungen mit der französischen Universitätsadministration. Wenig flexibel, autoritär und meist unfreundlich verliefen die Begegnungen. Dennoch war die Erfahrung, dass Probleme dazu da sind, gelöst zu werden (was sie trotz der Unüberwindlichkeit des ersten Augenblicks immer wurden), sicherlich eine lehrreiche.

Die Erfahrung mit den anderen Erasmus- und den französischen Studenten waren dafür um so herzlicher und abwechselungsreich. Der Nachteil in einem an ostdeutsche Plattenbauten erinnernde Studentenwohnheim untergekommen zu sein, wurde dadurch aufgewogen, von internationalen Studenten umgeben zu sein. Diese Mischung der unterschiedlichsten Mentalitäten und Temperamente war unvergleichlich und hat mich in meinem Wunsch bestärkt, nach Abschluss meines Studiums einige Jahre im Ausland verbringen zu wollen.

Das Semester in Bordeaux hat mir zudem genug Freiraum gelassen, die Umgebung Bordeaux mit den hervorragenden Surfrevieren des Atlantiks und den Weinanbaugebieten, Nordspanien mit Bilbao und San Sebastian sowie Paris und Lyon näher kennenzulernen.