Jacques de Vaucansons mechanische Ente oder Warum der Gummischlauch erfunden wurde?

Geschrieben am 17. November 2011

Bekannter als Jacques de Vaucanson (1709-1782) dürfte wohl der französische Philosoph René Descartes (1596-1650) sein. Dieser behauptete seinerzeit, dass Tiere zwar lebendige, jedoch geistlose Automaten seien. Tiere könnten zwar Schmerzensschreie und Warnrufe ausstoßen, jedoch fehle ihnen eine “rationale Seele” oder ein Geist. Geist sei das alles entscheidende anthropologische Proprium, das es dem Menschen erlaube, u.a. Schmerzen, Furcht und Zorn tatsächlich zu empfinden. Descartes spekulierte demnach über die scheinbar kontraintuitive Möglichkeit, unbewußter Empfindungen.

Was für Tiere der Fall sei, gelte auch für Maschinen. Ob wir ein Tier oder nur eine sehr gut gemachte mechanische Imitation eines Golden Retrievers oder einer grünen Meerkatze vor uns haben, bleibe ohne Nekropsie unentschieden. Sollten wir jedoch einer noch so detaillierten Nachbildung eines Menschen gegenüberstehen, gäbe es zwei Möglichkeiten herauszufinden, ob wir uns mit unserem Nachbarn oder Robby aus dem Film Alarm im Weltall unterhalten. Robby könne weder Sprache produktiv anwenden, noch könne er flexibel, dass heißt unabhängig von seinem installierten Programm, handeln.

Leider weiß ich nicht, ob die Lektüre der cartesianischen Meditationen oder des Discours de la Méthode Vaucanson veranlasste, seine mechanische Ente zu bauen. Letztlich ist sie aber ein schönes Beispiel, das die Überlegungen Descartes veranschaulicht.

Nach dem Bau seiner zwei mechanischen Flötenspieler, verfolgte Vaucanson seine Idee der “bewegten Anatomie” weiter und stellte im Jahre 1738 einem großen Publikum seine Entennachbildung vor. Diese war in der Lage, zu watscheln, mit den Flügeln zu schlagen, Körner aufzupicken und…zu verdauen. Der Verdauungsprozess war Resultat eines chemischen Prozesses im künstlichen Darm der Ente. Für diesen wurde der erste biegsame Gummischlauch entwickelt und er funktionierte so hervorragend, dass sich Vaucanson rühmen konnte, dass die Überbleibsel der Digestion eine naturgetreue Konsistenz hatten. Lassen wir aber der englischen Übersetzung folgend den Meister kurz selbst zu Worte kommen:

“My second Machine, or Automaton, is a Duck, in which I represent the Mechanism of the Intestines which are employed in the Operations of Eating, Drinking, and Digestion […]. The Duck stretches out its Neck to take Corn out of your Hand; it swallows it, digests it, and discharges it digested by the usual Passage. […]The Food is digested as in real Animals, by Dissolution, not Trituration[…].” (Vaucanson 1742, 21)

Wer nun seinen nächsten Frankreichurlaub dahingehend plant, sich auf die Suche nach der “Verdauungsente” zu machen, muss ich leider enttäuschen. Außer einem Bauplan ist nichts mehr von ihr übrig. Wer aber mehr erfahren möchte, dem sei Vaucansons Darstellung über seine Automaten empfohlen:

Vaucanson: An Account of the mechanism of an automaton. London 1742.