„Warum machen wir Comics?“ – Jasons Graphic Novel „Hemingway“

Geschrieben am 16. April 2012

Über die alltäglichen Sorgen eines Comiczeichners.

Hemingway, Fitzgerald, Stein, Pound und Joyce sind Comiczeichner – zumindest in Jasons Graphic Novel Hemingway. Erzählt wird die Geschichte der illustren Vier: Ernest Hemingway, Scott Fitzgerald, Ezra Pound und James Joyce. Gertrude Stein, Zelda Fitzgerald, Hadley Hemingway und ein ominöser Liebhaber namens Jean-Paul spielen weitestgehend nur Nebenrollen. Orientiert sich der Inhalt zu Anfang sehr an einzelnen Anekdoten aus Hemingways Pariser Memoiren A moveable feast (dt. Paris – Ein Fest fürs Leben), so endet die Geschichte in einem spannenden Krimi in Pulp-Fiction-Manier.

Die Story spielt – wie könnte es anders sein – in den 20er Jahren in Paris, wo sich die genannten Protagonisten realiter zum Teil erstmalig trafen und mehr oder weniger anfreundeten. Die vier Autoren hängen in Bars herum, fürchten sich vor dem weißen Blatt Papier, grübeln über den Job als Schriftsteller (“Warum machen wir Comics?“) und versuchen irgendwie über die Runden zu kommen. Insbesondere Hemingway und Fitzgerald leiden unter dem ständigen Geldmangel, weshalb sie mit ihren Schriftstellerkumpanen einen alle Probleme lösenden Coup planen. Dieser ist grandios und aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten erzählt. Resultat ist ein unterhaltsamer Comic mit einem überraschenden Ende.

Der Zeichner Jason, 1965 in Molde/ Norwegen geboren, zeichnet seit den 80er Jahren Comics und insbesondere Graphic Novels. Seit 2001 setzt er anthropomorphe Tiere als Stilmittel ein. So auch in seinem neuesten Werk Hemingway, in der Joyce als Rabe, Hemingway und Co. als Hunde daherkommen.

Wer nicht zumindest das Hemingwaysche Meisterwerk A moveable feast kennt, wird einige Szenen im Laufe der Geschichte nicht verstehen, da ohne Background nicht alle Zeichnungen Sinn ergeben. Schwierig wird es insbesondere, wenn ohne Erzählkästen und Mono- bzw. Dialoge gearbeitet wurde. Dies gilt aber nur für sehr wenige der erzählerischen Aufzüge.

Die Bilder sind sehr nüchtern gezeichnet: Die Augen der Personen sind ausdruckslos weiß, Gestik und Mimik sind gar nicht oder kaum vorhanden. Auch die Hintergründe sind oftmals sehr reduziert gezeichnet. Hierdurch treten die Hauptakteure und insbesondere die schnörkellos erzählte Geschichte in den Fokus des Lesers und Betrachters. Die Bilder bekommen somit fast durchgängig eine trübe und etwas melancholische Stimmung. Dies ist insofern gelungen und passend, als die Gesprächsthemen der Protagonisten grundsätzlich existentieller Natur sind und letztlich fast durchgehend Geldsorgen, Unzulänglichkeiten, Zukunftsängste und persönliche Niederlagen umfassen.

Mit der 48-seitigen Graphic Novel Hemingway, legt Jason ein wunderbares Stück gezeichnete Literatur vor. Für Schwärmer und Liebhaber der Roaring Twenties und der Lost Generation ist Hemingway ein sehr empfehlenswertes Buch. Die Anekdoten haben einen hohen Wiedererkennungswert mit dem Paris-Roman A moveable feast, ohne aber das Werk Hemingways einfach nur nachzuerzählen. Zwar bietet Jasons Hemingway auch für Nicht-Kenner eine kurzweilige Lektüre, doch das eigentliche Zielklientel scheint dies nicht zu sein.

Jasons Graphic Novel Hemingway erschien in deutscher Übersetzung bei reprodukt und kostet 13 Euro.

Jason: Hemingway. Reprodukt 2011. (Link führt zu Amazon.de)