Ein Nachmittag in Barbes-Rochechouart / Paris

Geschrieben am 13. April 2010

Ich habe mir heute vorgenommen, den berühmten Markt an der Métrostation „Barbes-Rochechouart“ zu besuchen. Diese Haltestelle und das dazugehörige Wohnviertel, gelten als „Afrika“ in Paris und ebenso ist der Markt als afrikanischer bezeichnet.

ich steige aus der Nr. 2 aus, der einzigen Métro in Paris, welche überirdisch fährt, und gerate sofort in Menschenmassen. Es wird gedrückt und gezerrt und die Richtung im Menschenstrom zu wechseln, scheint schier unmöglich. Zudem stehen überall lärmende Verkäufer von gefälschten Portemonaies, Brillen und Zigaretten, welche die, durch die Masse vereitelten Fluchtversuche potentieller Käufer ausnutzen, um diese, trotz Ablehnung, vom Kauf zu überzeugen.

Es ist ein warmer, sonniger Tag und die vielen Menschen um mich erhitzen zusätzlich. Diese erhitze Atmosphäre wird von einem charmanten, mittelalten Mann genutzt um seinen Teil beizutragen, in dem er mir Komplimente anzüglich in mein Ohr schreit. Ich flüchte in eine Seitengasse.

Dort versuche ich mich zu orientieren um den angestrebten Markt ausfindig zu machen. Vergebens! Mir gegenüber befindet sich das berühmte, sich über die ganze Länge der Straße bis zur nächsten Métrostation erstreckende, Kaufhaus „TATI“, der einzige Ort in Paris, an welchem man zu annehmbaren Preisen einkaufen kann, allerdings zu Preis einer recht kurzen Freude am Produkt, welches geringe Qualität aufweisen wird.
Ich verwerfe meinen Plan, den Markt zu finden, da dies erneuten Kampf durch Menschenmassen bedeuten würde und schlendere stattdessen die Seitengasse weiter entlang.

Diese quillt über vor Farbe. Es scheint als hätten alle in ihr befindlichen Läden, genau eine Verkaufsstrategie, nämliche diese alles an Stoffen, Knöpfen, Perücken, Kleidern, Kostümen, Hüten, Borten, Tüchern, Federn usw. was farbgrell leuchtet, zusammenzutragen. Außer Theaterkostümeuren und Karnevalsteilnehmern kann ich mir beim besten Willen keine möglichen Kunden vorstellen. Vor jeder Tür der vollgestopften, kleinen Läden steht ein Mensch, welcher schreiend zum Eintreten animiert. Ich lasse mich hinreißen und betrete ein Geschäft. Ich habe die Wahl zwischen Federboas aller Farben, Zimmermädchen und Schulmädchenkostüm, Perlenkappen für den Kopf (direkt aus den 20er Jahren hergebeamt) und Abendkleidern. ich entscheide mich schließlich für eine grüne Perücke, deren Gebrauchsnotwendigkeit sich bestimmt irgendwann in meinem, noch langem Leben, zeigen wird. Auf der Straße weiß ich nur noch, dass ich mir vor 10 Minuten noch sicher war sie zu brauchen. Schnell weg von diesem bunten, geldverschlingenden Strudel und in die nächste Seitengasse.

Ich finde vor, was sich steriotyperweise auch am Fuße des Montmatres befinden sollte: Künstlerateliers, Künstlerbedarf, Ausstellungen und Straßencafés mit Pfeife-rauchenden Intellektuellen. In der Ferne höre ich jazzige Klänge, denen ich entgegenstrebe.

Sie stammen von einem 4- köpfigen Jazzensemble (Kontrabass, gitarrenähnliches Ding, Saxophon und Trompete). Um die Musikanten hat sich eine Menschentraube gesammelt, ein antikes Karussell nebenan macht kleine Kinder schwindelig und alte Bäume grünen jungfräulich in der ersten, richtigen Frühlingssonne. Einige Menschen tanzen, andere singen oder schicken ihre Kinder vor die Musikanten um zu photographieren, da diese den Platz mit optimaler Perspektive (direkt vor dem Sänger), unpeinlicher einnehmen können. Der Altersdurchschnitt der Musiker liegt garantiert nicht unter 75 Jahren. Der Sänger schaut mich an, ich lache ihn an und er beginnt ein Lied mit dem Titel „A wonderful day“, mit alterskrächziger Stimme zu singen. „Stimmt genau.“ denke ich mir und lasse mich, Baguette- kauend, auf eine Bank nieder um zuzuhören.