Der Reiseführer „PARIS-Spaziergänge“

Geschrieben am 21. Februar 2012

Mit einer guten Freundin durch Paris flanieren.

Aus dem Wust unzähliger erhältlicher Parisreiseführer finden sich immer wieder einige wenige Perlen, die mehr zu bieten haben, als eine Wegbeschreibung zum Eiffelturm, zum Triumphbogen oder zur Kathedrale Notre-Dame. Eines dieser Schmuckstücke ist sicherlich Hella Broerkens Reiseführer PARIS-Spaziergänge.

Versprochen werden Rundgänge durch das weniger touristische Paris an der Seite einer guten Freundin, die sich seit Jahren in der “Stadt an der Seine” auskennt und so manchen Geheimtipp mitzuteilen hat. So beginnt das Buch tatsächlich mit einem sympathischen Aufruf der Pariser Freundin zu folgen: „Wir gehen zunächst rechts herum über den Place Mohammed V“ (15), nur leider lässt die Reisebegleiterin den Leser bereits im zweiten Kapitel zumindest sprachlich von der Hand, wenn plötzlich nur noch die Rede von „meinem“ Spaziergang ist und der Leser nur noch beobachten kann: Statt „Wir“, heißt es nun nur noch „Ich“. Dies ist aber der einzige und sehr geringe Makel und mindert kaum die hohe Qualität dieses Reiseführers.

PARIS-Spaziergänge beginnt mit einigen wichtigen und sehr praktischen Hinweisen. So z.B. welche Stadtpläne empfehlenswert sind und wo man sich über anstehende Events in Paris informieren kann. Bereits Eingangs wird in freundlicher und gutgemeinter Weise insistiert:

Haken Sie nicht ein Ziel nach dem anderen ab, sondern nehmen Sie sich Zeit zum Herumstöbern in den Läden, für einen Café Crème auf der Bürgersteigterasse, für einen Blick nach oben zu den schönen Fassaden und Balustraden, für eine Picknickpause im Park und einem Besuch im Museum. Was sie heute nicht schaffen machen sie ein anderes Mal. (11)

Hiermit wird auch gleich die Zielgruppe abgesteckt, denn der Reiseführer PARIS-Spaziergänge ist weniger für den ersten oder zweiten Parisbesuch gedacht, sondern vielmehr für die darauffolgenden Erkundungen, die eben nicht zum Eiffelturm, zum Triumphbogen oder zur Kathedrale Notre-Dame führen sollen. Zwar prunkt auf der Vortitelseite der Eiffelturm, doch wird er im Buch sympathischerweise nicht mehr erwähnt.

Diese anfängliche Gelassenheit zieht sich in liebenswerter Weise durch das ganze Buch. Immer wieder wird zu Verschnaufpausen in ausgewählten Cafés oder Restaurants eingeladen, verbunden mit kulinarischen Tipps. Neben Imbisspausen legt Hella Broerken aber auch gern kurze Halbzeiten bei ihren Spaziergängen ein, um den Blick weit schweifen zu lassen. Dann folgt zumeist eine dieser wunderbaren Kamerafahrten, mit denen sie stimmungsvolle Bilder zeichnet und diese hier und da mit einer amüsanten Anekdote zu paaren vermag:

Neben mir auf der Bank liest ein Mann mit Gauloise im Mundwinkel (ja, genau so wie der Franzose gemeinhin in Karikaturen dargestellt wird) die Sportseiten der LÉquipe. Eine elegante Dame trippelt an uns vorbei. Die Absätze der Stöckelschuhe sinken leicht in den unbefestigten Parkweg ein. Sie deutet im Vorübergehen auf zwei sonnenbadende Bikinischönheiten. Die sollten sich nicht so öffentlich zur Schau stellen, schimpft sie kopfschüttelnd zu uns rüber, die würden den Männern nur den Kopf verdrehen. ‚Oui oui, les jeunes‘ […] antwortet mein Banknachbar (95f.)

So fängt sie manches Detail ein, das dem ruhelos umherschweifenden Touristen verborgen bleiben muss.

Der Reiseführer PARIS-Spaziergänge ist in einem liebevollen Plauderton geschrieben und wartet mit vielen mehr oder weniger geheimen Tipps auf, die manchmal auch recht unkonventionell ausfallen, so z.B. der Hinweis, dass die Pizzen einiger Italiener in Paris besser seien, als in vielen Pizzabäckereien in deren Heimatland: „Pizza in Paris? Warum nicht! Ich habe in italien niemals solch leckere Pizza und Pasta gegessen wie hier.“ (59) Zudem dürfte selbst erfahrenen Parisbesuchern so manche, teilweise kurios anmutende Sehenswürdigkeit, bisher entgangen sein: Wer kennt schon das Zauberei- oder das Fächermuseum in Paris? Doch es sind nicht nur die unbekannten Orte von Paris, für die die Autorin schwärmt, sondern auch die, die man schon häufig besucht hat. Hella Broerken versteht es in gekonnter Manier den Blick des Begleiters zu schärfen und ihn so auf zahlreiche Details aufmerksam zu machen, die einem bisher möglicherweise verborgen geblieben sind.

Die Spaziergänge Hella Broerkens sind nach Arrondissements geordnet. Insgesamt acht Routen führen vom Quartier Latin, über Marais  und Chinatown, zur Metrostation Invalides. Jeder Bericht beginnt mit einem kleinen Kartenausschnitt des jeweiligen Arrondissements, der aber einen Stadtplan nicht ersetzen, sondern nur zur groben Orientierung dienen soll. Am Ende eines jeden Spazierganges sind die Hauptattraktionen praktischerweise noch einmal mit einigen Hinweisen, wie Öffnungszeiten und anderen Besonderheiten, aufgelistet. Eine sehr schöne Idee sind die daran anschließenden Notizfelder. Hier hat der Leser auf einer halben bis einer ganzen Seite die Möglichkeit vor Ort eigene Anmerkungen zu den Attraktionen auf- oder ihn plötzlich überkommende musische Eingebungen niederzuschreiben. Das Ganze ist gespickt mit atmosphärischen Schwarzweißfotos.

Für 14 Euro bekommt man auf 160 Seiten ein sehr privates Paris vorgestellt, das durch seine Art und Weise den Leser begeistert. So manche stille Ecke teilt die Autorin wohlwollend mit dem Parisbesucher und so kann man die 14 Euro auch als eine Art „Schutzgebühr“ für die Broerkenschen Geheimnisse IHRES Paris verstehen. Hella Broerkens Paris Reiseführer ist schlussendlich ein sehr empfehlenswertes Stück Reiseliteratur.

Von der Autorin ist zudem der Restaurantführer: PARIS-Restaurants – Meine Lieblings-Bistros, Cafés und Brasserien im BoD-Verlag erhältlich.

Hella Broerken: PARIS-Spaziergänge. Norderstedt 2011. (3. Auflage)