Der Literarische Führer Frankreich aus dem Hause Suhrkamp

Geschrieben am 7. Juni 2012

Auf den Spuren literarischer Persönlichkeiten.

Der Insel Verlag, zum Hause Suhrkamp gehörend, bringt seit einigen Jahren literarische Reiseführer zu unzähligen europäischen und nicht-europäischen Ländern und Städten heraus. Darunter finden sich literarische Reisebegleiter über Indien und Italien oder auch Orte wie Havanna und Berlin, auf deren literarische Spurensuche sich die Reiseautoren begeben. Aus dem Konvolut dieser literarischen Reiseführer sticht das Exemplar über Frankreich heraus, denn nur wenige Länder haben so viele herausragende Schriftstellerinnen und Schriftsteller hervorgebracht und zogen jahrhundertelang Literaten aus aller Welt an.

“Der Literarische Führer Frankreich beabsichtigt, deutschsprachigen Reisenden ein literarisches Profil französischer Städte an die Hand zu geben, aufzuzeigen, welche Dichter in einem bestimmten Ort geboren wurden oder starben, einen Teil ihres Lebens verbrachten oder auf der Durchreise waren, welche belletristischen Werke sich mit dem Ort verbinden. (9)”

Selten findet man eine solch klare Ansage darüber, für wen ein Reiseführer ist und was man von ihm zu erwarten hat. Den abgesteckten Anspruch kann der Autor Hans Georg Bauner bravourös einlösen und nimmt den Leser mit auf eine literarische Reise durch das gedruckte, papierene Frankreich.

Der Reiseführer beginnt mit einem kurzen Vorwort, aus dem das obige Zitat stammt und in dem skizzenhaft die Bedeutung von Frankreich für die europäische Literatur dargestellt und einige editorische Anmerkungen gemacht werden. Nach einer Legende, in der die Abkürzungen und verwendeten Symbole erklärt werden, geht es zur Sache:

Jeder Region Frankreichs ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Die “Reise” beginnt im Elsass und endet auf Korsika. Die Stadt Paris ist sogar mit einem eigenen Kapitel vertreten, was durch die Vielzahl dort wirkender Autorenpersönlichkeiten gerechtfertigt ist. Die einzelnen Abschnitte beginnen mit einigen wenigen geographischen Daten über Einwohnerzahl, Fläche der Region und die Aufzählung der einzelnen Départements. Die einzelnen Städte werden dann alphabetisch auf ihre literarischen Ereignisse, wie Geburten literarischer Größen, Ruhebettungen, längere und kürzere Aufenthalte und Auftreten in belletristischen Werken, durchdekliniert. Bei Aufenthalten wird darüber informiert, was diese motivierte und was während dieser Zeit geschah. So werden selbst bloße Durchfahrten in die Liste der literarischen Geschehnisse einer Stadt aufgenommen. So erfährt man, dass Heinrich von Kleist 1801 zweimal durch die Stadt Straßburg fuhr:

“Ende Juni, als er sich hier entschloß, nicht nach Südfrankreich, sondern zu den Feiern des 14. Juli nach Paris zu reisen, und Anfang Dezember auf dem Weg von Frankfurt/Main in die Schweiz. (28)”

Handelt es sich um Geburts- oder Sterbeorte, so werden Adresse des Geburtshauses bzw. der Ruhestätten angegeben. Sofern vor Ort Gedenktafeln zu finden sind, sind auch deren Standorte angegeben.

Die Angaben, wer wann und warum in welcher Stadt wirkte, sind durchzogen von zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotos, die neben Autorenporträts auch Landschaftsbilder und Aufnahmen von Geburtshäusern und Friedhofsgräbern, zeigen. Kleinere Karten verorten die jeweilige Region, die behandelt wird, in einer Gesamtdarstellung Frankreichs. Einige Sonderkarten, z.B. zu George Sand und Paul Verlaine kommen dann ins Spiel, wenn die jeweilige Autorin oder der Autor längere Zeit an verschiedenen Orten in derselben Region verweilte und dort literarisch tätig wurde.

Die Abschnitte, die biographische Daten enthalten, sind glücklicherweise nicht allein auf frankophone Schriftsteller beschränkt. So lassen sich leicht, mit Hilfe des Literarischen Führer Frankreich die Wege von Kleist, Goethe, Hemingway, Turgenjew u.a. Persönlichkeiten verfolgen. Komplettiert werden die Ausführungen durch Hinweise auf literarisch relevante Museen und Bibliotheken, deren Öffnungszeiten und Kontaktdaten praktischerweise ebenfalls angeführt werden. Anfahrtsskizzen zu den ausgewählten Orten fehlen zwar gänzlich, würden den Reiseführerband aber auch nur unnötig aufblähen und so allzuviel Platz im Reisegepäck in Anspruch nehmen.

Sehr beeindruckend am Literarischen Führer Frankreich ist die literaturhistorische und philologische Kleinstarbeit, die offensichtlich geleistet werden musste, um so ein detailliertes Werk zu Stande zu bringen. Außer Julien Offray de La Mettrie, wird man wohl kaum einen Literaten in diesem profund ausgearbeiteten Reiseführer vermissen.

Die Frage, wie man diesen literarischen Reisebegleiter verwenden muss, ist augenscheinlich. Er kommt dann zum Einsatz, wenn man sich in einer bestimmten Region aufhält und etwas über deren literaturhistorische Bedeutung erfahren möchte, da die lokalen Touristeninformationen diesbezüglich zumeist überfragt sind. Aber auch für die Handvoll Exzentriker, die die Reiserouten eines Marcel Pagnols oder von Goethe nachreisen möchten, ist der Literarische Führer Frankreich ein unentbehrliches Werkzeug. Zwar ist der Reiseführer nach Regionen unterteilt, doch findet sich im Anhang nicht nur ein Sach-, sondern auch ein Personenregister, anhand dessen sich die Wege rekonstruieren lassen und so Einzug in die nächste Urlaubsplanung erhalten können. Eine ausgewählte Bibliographie rundet das Buch ab. Hier finden sich Angaben zu weiterführender Literatur, wie z.B. Anthologien, Biographien und Nachschlagewerken.

Der Literarische Führer Frankreich von Hans Georg Bauner ist ein überaus nützlicher und sehr empfehlenswerter Begleiter für literarisch Interessierte, die abseits touristisch überlaufener Orte Frankreich auf eine ganz spezielle Art erleben wollen. Der Literarische Führer Frankreich ist 2001 im Insel-Verlag erschienen. Er umfasst 423 Seiten und kostet gerade einmal schlanke 8,95 Euro.

Hans Georg Bauner: Literarische Führer Frankreich. Insel-Verlag 2001. (Link führt zu Amazon.de)