Leber lieber ungewöhnlich – zum Streitpunkt Foie Gras

Geschrieben am 10. Juli 2012

Eines der beliebtesten und ältesten Gourmetgerichte der Welt ist die sogenannte Stopfleber, auch Foie Gras genannt, die laut Überlieferungen bereits etwa 2500 v. Chr zubereitet wurde. Schon damals wurden unterschiedlichste Techniken angewendet, um Gänse und Enten zu überfüttern und so die schmackhafte Delikatesse zu gewinnen. Heutzutage werden zumeist etwa 20-40 cm lange Metallrohre verwendet, die den Tieren weit in den Hals geschoben werden, um ihnen so das etwa 5fache Gewicht der normalen Tagesfutterration per Druckluft zu verabreichen. Die Leber von Enten und Gänsen schwillt so bis zu 1000 Gramm an, also dem sechs- bis zehnfachen Volumen. Die ganze Tortur dauert 12 bis 21 Tage und wird dreimal täglich durchgeführt. In diesem Zeitraum erleiden die Tiere häufig Verletzungen am Hals, wenn sie nicht vorher schon Opfer von Krankheit oder Schwäche werden. Denn Enten und Gänse für Foie Gras werden in engen Käfigen gehalten, in denen sie keinerlei Bewegungsfreiheit haben.

 

Insbesondereinfolge des vor einigen Tagen durchgesetzten Verbotes der französischen Spezialität in Kalifornien, kochen die Diskussionen über den Sinn und Unsinn eines Foie Gras-Verbotes hoch. Aufgrund nachlässiger Einhaltung der bereits seit 2004 bestehenden Restriktion, wurde das Verbot nun erneuert und zukünftig strenger durchgesetzt. Insbesondere aus dem Heimatland der Foie Gras, Frankreich, werden Stimmen laut, die die Verbannung des anerkannten kulinarischen  Kulturerbes von den Speisekarten des sonnigen Bundesstaates kritisieren. Philippe Martin, Abgeordneter der Sozialisten und Präsident des Regionalrats im Department Gers, forderte sogar im Falle eines nicht zurückgenommenen Verbotes, die Streichung kalifornischer Weine von den Karten französischer Gastronomiebetriebe.

 

Marie-Pierre Pé, Sprecherin des Berufsverbandes der Foie Gras-Erzeuger äußerte ihr Unbehagen bezüglich eines möglichen Imageverlustes der traditionellen Speise. Es fehle den kalifornischen Entscheidungsinstitutionen sogar an einem Verständnis für die französische Lebensart, so Pé. Der Demokrat John Burton hingegen polterte, er würde allen Köchen, die Foie Gras anböten, am liebsten mit Haferflocken stopfen, in gleicher Manier, wie dies bei Enten und Gänsen gemacht werde.

 

Das Gericht Foie Gras ist nicht erst seit einigen Tagen zu einem Politikum geworden, das Zwistigkeiten stiftet. Dass Foie Gras seit Jahren berechtigterweise bereits unter Imageverlust „leidet“ ist nicht wegzudiskutieren. Hierfür sorgen mit schöner Regelmäßigkeit veranstaltete Aufklärungskampagnen oder eben jene immer wieder auftauchende Diskussionen. Die nunmehr auftretende Brisanz des Herstellungs- und Verkaufsverbotes von Stopfleber ist Resultat der Ernennung der französischen Küche als immaterielles Weltkulturerbe seitens der UNESCO. Zu diesem Erbe gehört eben auch Foie Gras. Scheinbar wurde hier unreflektiert gehandelt.

 

Fragwürdig sind auch die Argumentationsgrundlagen der Diskutanten, die sich einer mehr oder minder angemessenen Rhetorik bedienen. Die Gegner des Verbotes beziehen sich auf den zweiten Punkt der UNESCO-Kriterienliste für „immaterielle Weltkulturerbe“. Dieses zweite Kriterium besagt: „„Die kulturelle Ausdrucksform bedarf des Schutzes, weil seine Lebensfähigkeit gefährdet ist.“ (Quelle). Nun widerspräche das kalifornische Verbot dieser Bestimmung der UNESCO. Fraglich ist jedoch, ob diese UNESCO Kriterien über möglichen ethischen Prinzipien stehen (sollten).

 

Befürworter des Verbotes argumentieren anhand von Analogien, mittels derer sich ausgehend von der menschlichen Empfindungsfähigkeit auf eine irgendwie geartete Schmerzempfindlichkeit bei Tieren schließen lasse. Grundlage ist hierfür das darwinsche Kontinuitätsprinzip, dass eine anatomische und physiologische und daraus folgend auch mentale Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier beschreibt. Tier ist jedoch nicht gleich Tier, weshalb die inflationäre Anwendung der obigen Analogieschlüsse hinterfragt werden kann. Ein Säugetier unterscheidet sich erheblich von z.B. Vögeln und Amphibien.

 

Was meinen Sie? Ist das Foie Gras-Verbot berechtigt oder werden hier jahrhundertelang tradierte Kulturgüter zerstört? Würde es etwas ändern, wären die Fütterungstechniken und Haltungsbedingungen andere? Ist die Hochstilisierung des Verbotes zu einem solchen Politikum übertrieben?