Im Reich des Todes…

Geschrieben am 9. Juni 2010

Es gibt nur wenige stille Orte in Paris. Die Stadt ist laut, überfüllt, die Bewohner scheinen immer in Eile und gestresst zu sein. Ich möchte Euch einen Ort vorstellen, an dem von der Hektik des Pariser Stadtlebens nichts mehr zu spüren ist – 20 Meter unter der Erde. Gemeint ist nicht etwa eine verlassene Metrostation, sondern das „Reich des Todes“: Die Katakomben von Paris.

Vielleicht mag es dem einen oder anderen etwas pietätlos erscheinen die Ruhestätte von mehr als 3 Millionen Toten als Touristenattraktion anzupreisen, doch diese unterirdischen Gänge und Schächte haben schon etwas faszinierendes. Am Place Denfert Rochereau befindet sich der Eingang zu den Katakomben. An der Kasse zahle ich den moderaten Preis von 4 Euro (Personen über 26 zahlen das Doppelte!) und passiere ein kleines Drehkreuz um anschließen über eine gedrungene Wendeltreppe gefühlte 5 Minuten ins Ungewisse zu schreiten.

Kalt wurde es auf einmal. So kalt, dass ich mir meinen Pullover, den ich in weiser Voraussicht auf die im Untergrund herrschenden Temperaturen mitgebracht habe, überstreifen musste. Je tiefer ich hinunter stieg, desto stärker kam mir ein unangenehmer Geruch entgegen. War das Leichengeruch? Unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass die Toten bereits von 1785 bis 1814 von dem damals größten Friedhof „Cimetière des Innocents“ hierher umgelagert wurden. Der eigentliche Grund, warum dieses enorm große  Stollensystem existiert, war jedoch der Abbau von Steinen (vor allem Kalkstein), welche für die Errichtung der Stadt erforderlich waren. Ein Großteil des Baumaterials der Häuser in Paris stammt also von hier!

Nach einem schier endlosen Marsch durch lange, nur spärlich beleuchtete Gänge, gelangt man in einen größeren Raum. Über einer Art Tor, das zu weiteren Gängen führt kann man eine Inschrift lesen: „Arrète! Ici c’est l’empire de la mort” (Halt! Hier ist das Reich des Todes). Wow! Was jetzt kommt, hat alle meine Erwartungen übertroffen. Hier wurden tatsächlich die Kochen und Schädel von Millionen von Toten fein säuberlich, beinahe künstlerisch aufeinandergestapelt, so dass dem Besucher ein bizarres Bild von brusthohen Mauern bestehend aus den Gebeinen der Toten beiderseits der Gänge geboten wird. Ein wenig schaurig ist das schon, denn man ist praktisch vom Toten umgeben.

Übrigens ist der Teil der Katakomben, der für touristische Zwecke zugänglich gemacht wurde, nur ein winziger Abschnitt des riesigen Tunnelsystems unterhalb von Paris. Die Anlange besitzt eine Gesamtlänge von ca. 330 km! Teilweise nutzt heute die Pariser Metro die vorhandenen Schächte als Verkehrsstrecke.

In den Medien wird des Öfteren von grotesk erscheinenden, illegalen Partys berichtet, die in den Katakomben zelebriert werden. Über geheime Wege und Zugänge, die man zum Teil nur kriechend erschließen kann, gelangen die mutigen Feierwütigen zu den außergewöhnlichen Partylocations. Dies ist nicht ganz ungefährlich, da Frischluft nur unzureichend in den Gängen vorhanden ist, von fehlenden Brandschutzvorrichtungen oder Notausgängen ganz zu schweigen. Reizen würde es mich dennoch! Wer kommt mit?

Offizielle Seite (english version): http://www.catacombes-de-paris.fr/english.htm