Ein Stück Dublin in Paris – Vor 90 Jahren erschien Joyce’ Ulysses

Geschrieben am 2. Februar 2012

Eine kleine Anekdote zum Jahrestag.

Heute, vor genau 90 Jahren erschien in Paris zum ersten Mal der Jahrhundertroman Ulysses von James Joyce. Die mutige Herausgeberin war die Buchladenbesitzerin Sylvia Beach.

Joyce’ Werk ist ein Schlüsselroman der literarischen Moderne des 20. Jahrhunderts. Der Roman Ulysses handelt von einem Tag im Leben des Protagonisten Leopold Bloom. Der Leser verfolgt Bloom in 18. Kapiteln durch Dublin, das dieser am 16. Juni 1904 von 8 Uhr Morgens bis weit nach Mitternacht durchstreift. Noch heute ist der 16. Juni – am Tag als Joyce seine spätere Frau Nora Barnacle traf – ein Feiertag und veranlasst tausende Verehrer des Werkes, nach Dublin zu pilgern, und gemäß der Joyce’schen Alltagschronik sein Tag mit Rührei und Guinness zu beginnen und danach ein Stück Zitronenseife zu erwerben.

Rechtzeitig zu seinem Geburtstag wollte Sylvia Beach, Joyce das erste Exemplar seines Jahrhundertromans übergeben und schildert die Szene, als die ersten beiden Exemplare mit dem Zug in Paris eintreffen:

Ich stand auf dem Bahnsteig, und mein Herz ratterte wie die Lokomotive, als der Zug aus Dijon langsam anhielt und ich sah, wie der Schaffner mit einem Paket in der Hand ausstieg und sich nach jemandem umsah – nach mir. Ein paar Minuten später läutete ich an der Tür der Joyces und übergab ihnen Nr. 1 des Ulysses, genau am 2. Februar 1922 (S. Beach).

Joyce bedankte sich auch später noch in Briefen überschwenglich für ihre Bemühungen. Immerhin nahm Ms. Beach einige Unannehmlichkeiten in Kauf, zumal das Buch in einigen Ländern aufgrund seines anstößigen Inhaltes verboten wurde.

Die kurioseste Anekdote handelt jedoch davon, wie Ulysses trotz Importverbotes nach US-Amerika gelangte:
Nachdem alle versandten Exemplare von Ulysses im New Yorker Hafen konfisziert wurden, benötigte Sylvia Beach einen Plan, wie die zahllosen Subskribenten des Romanes an ihr Exemplar kommen könnten. Hier bedurfte es eines kreativen Mannes der Tat: Ernest Hemingway. Dieser bat einen Freund in Chicago, sich des Problems anzunehmen. Bernard B. oder später, aufgrund seines großartigen Einsatzes für die Literatur, Saint Bernard getauft, siedelte nach Kanada über, um von dort die Exemplare in die USA zu schmuggeln. Täglich bestieg Saint Bernard die Fähre, um ein Exemplar des Ulysses, das er in die Hose gestopft hatte, unentdeckt hinüber zu bringen. Da es die Zeit des Alkoholschmuggels war, war das Unterfangen nicht ganz ungefährlich und der Literaturheilige wurde fast entdeckt:

Bernard kam gut voran und war schon bei den letzten paar Dutzend Exemplaren angelangt, hatte aber den Eindruck, daß die Hafenbehörden anfingen, ihn mit einigem Mißtrauen zu betrachten. Er fürchtete, sie könnten sich binnen kurzem einmal etwas genauer nach dem wahren Grund seines täglichen Hin- und Herfahrens erkundigen[…]. Er suchte sich also einen Freund, der bereit war, ihm zu helfen, und nun bestiegen beide täglich die Fähre, jeder, da Eile not tat, mit zwei Exemplaren. Eines hatten sie vorne, eines hinten hineingestopft, sie müssen ausgesehen haben wie Fälle für Vaterschaftsklagen (S. Beach).

So kam Ulysses nach Nordamerika. Hätte Joyce diese Schwierigkeiten geahnt, er hätte wohl bereits nach 100 Seiten die Feder zur Seite gelegt, um es den Schmugglern leichter zu machen.

Literatur:

Sylvia Beach: Shakespear and Company. Ein Buchladen in Paris. München 1982.