Die Dekadenz der Champs Élysées

Geschrieben am 18. März 2010

Vor ein paar Tagen sind meine Freundin und ich die Champs Élysées entlang geschlendert zum Triumpfbogen. Bei azurblauem Himmel und einer schön wärmenden Sonne haben wir uns die Menschen angesehen. Denn mit den ganzen Luxusbotiquen und Superkaufhäusern können wir beide nicht viel anfangen. So blasiert und dem Konsumwahn verfallen kommen diese Tempel des Geldes daher.

Nicht, dass wir beide nicht auch gerne schöne und teure Dinge anziehen oder benutzen, so schreibe ich diesen Artikel beispielsweise gerade an einem MacBook Air, aber auf der Champs Élysées ist nicht schön und gut die Motivation, sondern teuer, exklusiv und vor allem dafür bewundert zu werden. Es gibt ja auf der Champs Élysées ein großes Louis Vuitton Kaufhaus und ich kann wirklich nicht verstehen, warum irgendjemand diese Taschen trägt. Ich finde sie geschmacklos und mit einem ganz billigen Muster bedruckt. Die Dinger sind hässlich und mir würde nicht einmal einfallen damit rumzulaufen, wenn ich eine geschenkt bekommen würde. Wirklich nicht. Auch nicht wenn in der aktuellen Vogue mein Lieblingsbond Jean Connery für Louis Vuitton wirbt. Echt nicht. Gar nicht.

Natürlich gibt es auch schöne Dinge auf dieser Prachtstraße zu kaufen, allein die Menschen die dort rumlaufen sehen nicht so aus, als würden sie die kaufen weil sie schön sind, sondern weil es sich nicht jeder leisten kann, oder weil “man” das eben so jetzt trägt. Für mich wenig nachzuvollziehen, aber sei es ihnen gegönnt.

Jedenfalls kann man dort wirklich wunderbar Menschen beobachten und dem Kaufwahn frönen sehen. Man sieht die komischsten Kombinationen und bei manchen Frauen weiß man wirklich nicht, ob diese dem Zirkus entsprungen sind, oder das ernst meinen. Es sieht einfach nur zum schießen aus. Aber Hauptsache man sieht, dass es teuer ist. Naja, was soll’s.

Am besten kann man dieses Schaulaufen bei guten Wetter von einer der zahlreichen Banken an der Champs Élysées aus betrachten, oder man setzt sich einfach an den Mc Donald am Ende der Straße ins Obergeschoss ans Fenster. Dort ist man auch mittendrin, wenn Veronique ihrem Freund Nicolas ihre neuesten Errungenschaften aus schon den Preis anzeigenden Tüten präsentiert und dabei an ihrem Smoothie nuckelt.

Wenn Westerwelle von Dekadenz redet, dann kann er nicht Harz 4 meinen, sondern diese Straße. Die Champs Élysées ist dekadent und wer so etwas mag, oder sich in Reinform Mal aus nächster Nähe ansehen möchte, dem sei bei seinem Parisbesuch dies angeraten, vor allem, weil man dort eh nicht wirklich vorbei kommt, wenn man zum Triumpfbogen will. Und den sollte man sich unbedingt anschauen, auch wenn er der Dekadenz einer früheren Zeit entstammt.